Wir hatten in dem Beitrag “Frauen und ihr Kinderwunsch” schon ausführlich über die Belastungsprobe in einer Beziehung geschrieben. Wenn das Wunder, ein eigenes Baby nicht kommen mag, oder bleiben will. Wie schwierig es ist, sich zu öffnen und geradeheraus zu sagen, wie es uns geht, was uns bewegt, wie traurig und verzweifelt man häufig ist. Wenn Monat für Monat kein zweiter Strich erscheint, und niemand aus der Torte hüpft und laut “herzlichen Glückwunsch, sie bekommen ein Baby” schreit. Heut erzählt und Matthias aka Daddy_co.ol, dass man die Hoffnung nicht aufgeben soll. Eine ehrliche Geschichte über einen echten Kerl, der grundsätzlich gut Holzhacken kann. Wie er daraus Feuer macht, erzählt er euch heute selber.
Warum eine künstliche Befruchtung etwas ganz natürliches ist.
Es ist beinahe erschreckend festzustellen, wieviele Menschen so gern Eltern werden wollen, denen es aber verwehrt bleibt. Die Ursachen hierfür sind teils ganz unterschiedlich. Dass das so ist, bekommt man vermutlich erst mit, wenn man selbst betroffen ist. Und nach rechts und links schaut. Hilfe suchend. Unterstützung suchend. Beistand suchend. Der Mensch ist nunmal so gestrickt, dass er zum einen Leid gern teilt, damit es halbes Leid wird. Die Last für ihn selbst erträglicher wird. Anderen Menschen aber auch Teile dieser Last versucht abzunehmen. Das zu schulternde Paket leichter zu machen.
Zum anderen ist der Mensch zumeist zielstrebig. Wenn er etwas haben möchte, dann sucht er nach Wegen, dies zu erreichen.
Die genannten Eigenschaften haben mich in der Vergangenheit bereits dazu bewegt, Dinge aufzuschreiben. Sie mitzuteilen. Sie zu teilen. Um sie einerseits für mich verarbeiten und andererseits den Betroffenen Mut machen zu können. Ihnen Hoffnung zu geben. Ihnen zu zeigen, dass sie nichts „Besonderes“ sind. Weil sie alles andere als allein sind. Dass sie nichts „unnatürliches“ sind. Dass sie nichts „unnatürliches“ machen. Und dass es sich so sehr lohnt, mutig zu sein. Stark zu sein.
Um am Ende glücklich zu sein. OK, immer wieder ziemlich müde, ABER trotzdem glücklich!
Wenn man ungewollt kinderlos ist, dies jedoch nicht einfach so hinnehmen möchte, dann stößt man unweigerlich auch auf einige Widerstände, je mehr man sich damit beschäftigt. Man fängt an, sich zu belesen. Sich mit Betroffenen zu unterhalten. Und irgendwann hat man einen riesengroßen Berg an – zumeist unschönen – Fakten vor sich aufgetürmt, der einem nahezu Angst macht. Der frustriert.
Aber nun ist es so, dass jeder noch so lange und anstrengende Weg bekannter Weise mit dem ersten Schritt beginnt. Und dieser erste Schritt beginnt im Kopf. Mit einem „Wir wollen das!“. Mit einem „Wir schaffen das!“.
Wenn man SO WEIT ist, dann steht man bereits auf dem Zehnmeterturm. Ist man die lange Leiter bereits hochgekrabbelt, obwohl man doch eigentlich Höhenangst hat. Und jeder weiß, wenn man einmal auf dem Zehnmeterturm steht, dann gibt es kein Zurück. Runterkrabbeln ist keine Option. Da gibt’s nur den Sprung nach unten. Dieser Sprung, der einem so große Angst bereitet. Erst recht, wenn man nach unten schaut. Man sich doch eigentlich nicht vorstellen kann, dass man das jemals machen würde.
Und wenn man dann all seinen Mut zusammengenommen hat und springt – das allererste mal in seinem Leben – dann taucht man in dieses kalte Wasser und ist: glücklich. Über die Leistung, die man erbracht hat. Das sich Überwinden, entgegen seiner Ängste und Befürchtungen und Zweifel. Darüber, ein Ziel verfolgt zu haben, mit all seiner Kraft. Darüber, schlussendlich belohnt zu werden.
Wir sind seit nunmehr 13 Jahren ein Paar. Seit zehn Jahren tragen wir jeweils einen Ring mit dem Namen des Anderen.
Nachdem unsere beruflichen Karrieren ganz gut vorangeschritten waren, wir uns durch Beziehungs-Aufs und -Abs gekämpft hatten, stand der Wunsch nach einer ganz eigenen Familie. Und wie das allzu oft ist, „probiert man halt so rum“. Bei uns waren das circa drei
Jahre. In denen dieses Ziel mal mehr, mal weniger, aber doch immer präsent, verfolgt wurde.
Aber irgendwann setzten Zweifel ein, die in Untersuchungen endeten.
Dass ich niemals auf natürlichem Wege ein Kind zeugen könnte, das setzte mir anfangs zu. Irgendwie fühlte sich das schon ziemlich unmännlich an. Recht schnell jedoch überwog das Positive. Vielleicht redete ich es mir auch schön. Bezeichnete es scherzhaft als Beamtensperma. Null Prozent Beweglichkeit. Haha…
In jedem Fall ist es aber schon eine gute Sache, wenn sich die Frau später nicht mehr mit Chemie vollstopfen muss, nur um den häuslichen Kindersegen im Zaum zu halten. OK, abgehakt. Und nun? Naja, Kinderwunschbehandlung. Was anderes bleibt ja nicht. So ganz unromantisch-unsexy hieß das bei uns ab sofort intrazytoplasmatische Spermieninjektion, kurz ICSI.
Und so begann eine Zeit, die mit Romantik, oder wenigstens mit ziemlich viel Sex im Sinne der Zielerreichung, überhaupt nichts zu tun hatte. Es wurde eher so medizinisch. Natürlich gab es einen Plan, den es galt abzuarbeiten. Allem voran musste klar sein, dass im Körper der hoffentlich zukünftigen Mama die besten Voraussetzungen herrschen. Also musste vor dem eigentlichen Start der Behandlung eine Bauchdecken-und Gebärmutterspiegelung gemacht werden. Ein paar kleinere Sachen wurden sofort entfernt, nichts, was den weiteren Verlauf beeinflussen sollte. Ich erinnere mich noch, als ich meiner Frau die erste Spritze setzte, zwei Monate nach dem Eingriff. Über einen Zeitraum von mehreren Wochen sollten ihr so Hormone zugeführt werden, um die Eizellenproduktion auf Hochtouren zu bringen. Sie setzte sich bequem auf die Couch und ich packte die Spritze aus, desinfizierte die Stelle ihrer Haut, wo ich diese reinpieksen wollte. Ich setzte an und… konnte es nicht! Auch wieder irgendwie unmännlich.
OK, was nun? „Los, wir fragen die Nachbarin!“. Eine Nachbarin und Freundin. „Sie ist Krankenschwester, sie kann das!“. „Aber wir müssten schon noch ein wenig aufräumen, vielleicht auch mal durchsaugen.“. „Ohhhr nee, ich mach das jetzt!“. Tja, und dann „stach“ ich zu. Es fühlte sich wirklich nicht gut an. Aber es war in Ordnung, weil es wichtig war. Und so wurden wir Profis darin. Anfangs nur abends. Irgendwann morgens und abends. Einmal kippte sie bei der Morgenspritze fast um. Die Morgenspritze war irgendwie dicker. Unangenehmer.
Und irgendwann war die Eizellenproduktion soweit vorangetrieben, der Bauch so dick, wie üblicherweise im fünften Monat. Und es ging in die Klinik. Schon im Vorfeld entschied sich meine Frau für einen ambulanten Eingriff, anstelle der Vollnarkose mit entsprechend längerem Aufenthalt. Ich war schon froh, als ich sah, wie sie wieder über den Flur in das Krankenzimmer geschoben wurde. Ich glaube, sie war um einiges froher als ich. Es war nämlich ziemlich schmerzhaft, diese Eizellengewinnung. Und sie sagte, „nie wieder ambulant“. An dieser Stelle verrate ich euch aber, dass sie es drei Jahre später doch wieder genau so machen wollte. Der Mensch vergisst, oftmals zum Glück, recht schnell, wenn es um schmerzhafte Ereignisse geht. Die Menschheit wäre sonst wohl schon längst ausgestorben.
Im Gegensatz dazu hatte ich es ja fast schon gut. Weil ich ja kurz zuvor die Samenzellen „abliefern“ durfte. Da gehst Du in ein Büro, füllst ein paar Sachen aus, gibst Blut für `nen HIV-Test und bekommst `nen Becher in die Hand gedrückt. Ich konnte mir natürlich ein „einmal vollmachen?“ nicht verkneifen. Die Reaktion der Schwester hielt sich in Grenzen. Ich denke, ich war nicht der erste, der diesen Kalauer brachte. Also einmal raus auf den
Flur, nächstes Zimmer rechts. Da stand ́ne schöne Ledercouch, auf welcher eine circa einen Meter breite Papierrolle lag. Ein Fernseher, DVD ́s. Was man halt so brauchen könnte. In mir wollte das sexy Feuerwerk jedoch nicht so recht zünden und so machte ich nichts weiter als: meinen Job. Und hoffte, dass keiner weiter auf dem Flur herumschlich, wenn ich da so mit meinem Becherchen aus diesem Zimmer komme. Gefühlt mit `ner Kippe im Mundwinkel, das Hemd teils aus der Hose und die Haare auf halb neun. Und natürlich saß das nächste Pärchen bereits vor dem Büro der wenig humorvollen Schwester. Egal, wir hatten ein Ziel. Nur das zählte. Und keiner sagte, dass es einfach werden sollte.
Samen und Eizellen wurden nun in der Petrischale verheiratet und kamen in einen Brutschrank. Drei Tage später begaben wir uns für den Embryonen-Transfer erneut in die Klinik.
Exakt 14 Tage nach dem Transfer trat eine Blutung ein. Ein Anruf in der Klinik ließ uns jedoch die vage Hoffnung, dass das nichts zu bedeuten hat. Am nächsten Tag sollte meine Frau zum Bluttest kommen, eine Stunde nach Blutabnahme anrufen und nach dem Ergebnis fragen. Sie konnte es nicht, also rief ich in der Klinik an. Sie saß mir dabei gegenüber. Schaute mich über ihre gefalteten Hände an. Der Versuch war nicht erfolgreich. Es war niederschmetternd. Wir hatten so viel Hoffnung. Wir hatten doch schon so viel durch. Ist es nicht Strafe genug, dass man überhaupt diesen Weg gehen muss? Müssen wir ihn tatsächlich nochmal gehen? Und wie oft? Nein, wir mussten nicht. Aber wir wollten es. Wir wollten unser Baby!
Ihr Körper war ziemlich mitgenommen. Eine leichte Überstimulation durch die Hormonspritzen hatte für Wassereinlagerungen und extreme Müdigkeit gesorgt. So gaben wir ihm einen Zyklus lang Zeit, sich zu erholen. Wir fuhren an ́s Meer, tranken weißen Glühwein am Strand und sammelten Kraft. Um dann erneut zu starten. Glücklicherweise hatte ihr Körper beim ersten Versuch ausreichend Eizellen produziert, sodass wir einen Teil davon einfrieren lassen konnten. Das ersparte uns die so schlimme und langwierige erneute „Produktion“.
Und so wurden zwei dieser „Eisbärchen“ aufgetaut, zurück in’s Leben geholt und in diese, gemäß den Worten des Prof’s, wunderschöne Gebärmutter gesetzt.
Es war Gründonnerstag 2012, als ich auf dem Flur der Klinik saß. Diese tristen, der Sache entsprechend medizinisch-cleanen Flure. Die doch so gar nicht zum „Kinder machen“ passen. Ich saß da also und schrieb einem Freund: „Tja, jetzt sitz‘ ich hier so rum und hinter dieser Tür befruchtet der Prof meine Frau“. Ich kenne seine Antwort nicht mehr, das muss ich zugeben. Aber ich denke, er wird mir Mut zugesprochen haben. Weil Freunde nunmal dafür da sind. Genau DIES zu tun, wenn die Situation es erfordert.
Und eines dieser Eisbärchen hatte offenbar den gleichen Geschmack wie der Professor und fühlte sich wohl. So wohl, dass er sodann prächtig heranwuchs. Bis er keinen Platz mehr in seinem schönen Einzelzimmer hatte und schlussendlich in sein Beistellbett im elterlichen Schlafzimmer umziehen musste. Wo es ihm die nächsten zwei Jahre jedoch nicht minder gut gefiel. Er aber sodann trotzdem erneut umziehen musste, weil sein Bettchen sehr bald für sein Brüderchen frei sein musste.
Manche Wege geht man eben mehr als einmal, auch wenn sie noch so beschwerlich sind. Weil man weiß, was einen am Ziel erwartet. Ein ziemlich kleines und doch so großes Wunder.
Die Natur findet immer einen Weg, sagt man. Und wenn die Natur uns Menschen nunmal so schlau gemacht hat, dass wir Möglichkeiten finden können, dann KANN dieser Weg nicht unnatürlich sein.
Lasst euch nichts anderes einreden. Denkt nicht ausschließlich darüber nach, was richtig ist und was falsch. Was alles passieren könnte. Wann der richtige Zeitpunkt sein könnte.
Sondern hört auf euer Herz. Denn es schlug schon, bevor ihr denken konntet. Lieben Dank, dass ihr „dabei“ wart.
Schaut doch mal vorbei, auf meinem Instagram-Profil www.instagram.com/daddy_co.ol. Da gibt`s immer mal sehr viel kürzere Geschichten aus meinem Alltag. Vielleicht „sehen“ wir uns ja dort, ich freu mich drauf.
Wau so schön