Diagnose Hüftdysplasie

Endlich ist er da - dieser kleine perfekte Mensch, auf den wir so lange gewartet haben! Schon vom ersten Anblick an war mir klar, dass ich alles dafür tun werde, um jegliches Übel von meinem süßen Baby fern zu halten. Sofern dies in meiner Hand liegt!

Bekanntermaßen war ich ja schon zur Geburt meiner Tochter nicht mehr die jüngste Mutter und demnach also auch eine Risikoschwangere. Natürlich habe ich versucht, diesen Gedanken während meiner Schwangerschaft nicht allzu sehr an mich heran zu lassen und meistens ist mir das ganz gut gelungen. Aber die Tatsache, es schwarz auf weiss auf Papier zu lesen, hat nicht unbedingt dazu beigetragen, mich zu entspannen. Ich kann euch also gar nicht sagen wie erleichtert ich war, dass die Resultate der altersbedingten empfohlenen Untersuchungen durchweg positiv waren und ich nach Vollendung der 12. Woche endlich anfangen konnte, meine Schwangerschaft zu genießen.

So fühlte es sich also an! Wir machten uns bereits Sorgen um unser Kind, das noch nicht mal auf der Welt war. Wie würde es dann erst sein, wenn der Zwerg erst einmal da ist?

Der Rest meiner Schwangerschaft verlief problemlos und ich hatte eine unkomplizierte und den Umständen entsprechend traumhafte Geburt. Als ich mein kleines Baby dann endlich in meinen Armen hielt und wir uns versichert hatten, dass alles dort ist wo es sein sollte, war unser Glück perfekt. Wir taten das, was (wahrscheinlich) die meisten frischgebackenen Eltern tun. Wir haben unser Leben im wesentlichen den Bedürfnissen unseres Babys angepasst, wir haben es staunend betrachtet und uns über jede Aktion und Reaktion gefreut wie kleine Kinder. Nachts haben wir uns mehrfach versichert, dass unser Baby noch atmet und sind brav zu allen geforderten Untersuchungen gegangen – und das, obwohl ich stets voller Sorge vor herumschwirrenden Husten- und Schnupfenviren oder gar Schlimmeres war. Auf gar keinen Fall wollte ich, dass Little G. sich irgendeine Krankheit einfängt und deshalb vielleicht leiden müsste.

Ich weiß gar nicht mehr genau wie wir darauf kamen, aber bei der U2 erwähnte mein Mann, dass er als Kind eine Hüftschiene tragen musste und schon wurden wir zum Ultraschall zitiert.

Diagnose Hüftdysplasie

Ein kleiner Exkurs: Hüftdysplasie ist eine Sammelbezeichnung für angeborene – oft erblich bedingt oder durch Beckenendlage verursachte – Fehlstellungen des Hüftgelenks bei Neugeborenen und findet sich weitaus häufiger bei Mädchen als bei Jungen. Die Symptome der Hüftgelenksdysplasie sind zunächst Seitenungleichheit der Pofalten und Bewegungseinschränkungen der betroffenen Hüfte beim Strampeln. Ohne Behandlung kommt es bei schweren Formen zu bleibenden Schäden des Hüftgelenks und Schmerzen. Endzustand schwerer Formen ist die Hüftgelenksarthrose (Quelle: Wikipedia).

Ich weiß es jetzt und wusste es auch damals schon: es gibt Schlimmeres! Viel Schlimmeres! Aber trotzdem hat es mich zunächst einmal wie ein Hammerschlag getroffen und mir sind die Tränen in die Augen geschossen. Ich wollte ja nicht mal, dass mein Baby einen Schnupfen bekommt, geschweige denn, dass irgendwelche essentiellen Körperbestandteile nicht richtig funktionieren oder gar ein bleibender Schaden daraus entstehen könnte. Mein Mann als ehemaliger Betroffener hat das übrigens weitaus weniger dramatisch gesehen als ich. Ja klar, was sollte er auch sagen. ICH war ja nicht diejenige, die meinem Baby eine Hüftdysplasie vererbt hatte…. Wie dem auch sei. Behandlungsstufe 1 lautete “Breit Wickeln”. Ab sofort sollte ich Little G. immer 2 Windeln übereinander ziehen. Am liebsten hätte ich ihr 5 Windeln übereinander gezogen, hauptsache das Problem wird gelöst! Bringt aber ja nichts und passte auch gar nicht in die Strampler. 3 Wochen lang bis zur nächsten Untersuchung haben wir diese Methode konsequent durchgezogen – Tag und Nacht. Leider ohne positives Ergebnis, so dass Behandlungsstufe 2 in Angriff genommen werden musste. Wir bekamen eine Überweisung zum Spezialisten und sind zum Glück an Doktor Halbhübner verwiesen worden – Experte für Säuglingshüften mit 30 Jahren Erfahrung. Leider hat er den Verdacht bestätigt, aber auch die Schwere der Fehlstellung etwas relativiert und nun wussten wir endlich, woran wir waren. Bis zu diesem Zeitpunkt wir mir allerdings noch gar nicht klar, wie die Behandlung jetzt eigentlich ablaufen würde. Vielleicht war das aber auch ganz gut so, denn hätte ich im Internet nach der Tübinger Hüftbeugeschiene gesucht, wäre ich wahrscheinlich weniger euphorisch mit dem einzigen Ziel auf baldige Heilung der Hüftfehlstellung in die Praxis marschiert, sondern hätte mir vermutlich primär gewünscht, dass uns die ganze Behandlung doch bitte einfach komplett erspart bleiben solle.

Eines vorweg. Heute kann ich schon fast darüber lachen, wenn ich daran denke wie sehr mir der Tag an die Nieren ging als ich mit meinem Baby und dieser Schiene wieder nach Hause fahren musste. Aber niemals werde ich vergessen, wie unsensibel die Dame war, die uns zeigte wie man diese Schiene anlegt. Ich war eine noch von Hormonen gesteuerte frischgebackene Mutter und sie fertigte mich routiniert innerhalb von 3 Minuten mit diesem hässlichen Ding ab, das meine Tochter ab sofort Tag und Nacht tragen sollte.

Es war aus Plastik. Es war hässlich. Es schränkte mein Baby ein und wie verdammt noch mal sollte ich es damit in all die süßen Sachen quetschen, die ich natürlich schon gekauft hatte?

In der Praxis konnte ich mich noch zusammenreißen, aber kaum vor der Tür öffneten sich die Schleusen, die auch erst nach vollen 4 Tagen wieder versiegten. Es war Montag, mein Mann war nicht da und ich fühlte mich zum ersten Mal seit der Geburt unserer Tochter alleine gelassen. Aber was sollte ich tun? Dr. Halbhübner hatte explizit betont, dass Konsequenz der einzige Weg zu einer schnellen und dauerhaften Heilung ist. Beten hilft nicht, eine spätere Operation kam für uns auf gar keinen Fall in Frage und eigentlich war ich ja auch froh, dass die moderne Medizin in der Lage ist, frühzeitig Diagnosen zu treffen und zu behandeln. In 4 Wochen hatten wir unseren Termin zur Kontrolle und ich wollte dieses Ding so schnell wie möglich wieder loswerden. Also war ich konsequent!

Ich habe Little G die Schiene nur zum Wickeln abgenommen und war bis zum letzten Tag der Behandlung jedes Mal froh, wenn die Schiene ohne allzu großes Gezeter wieder dran war. Statt gemütlicher Bäder sind wir auf kurze Duscheinheiten umgestiegen und bis heute auch dabei geblieben. Stillen und Schlafen waren schon nach kurzer Zeit kein Problem mehr und auch vom Tragen und Kuscheln liessen wir uns nicht abhalten. Kurzum, wir gewöhnten uns an die Schiene, Little G störte sie eh weitaus weniger als mich und schon sehr bald wurde sie fester Bestandteil unseres Alltags und hatte fast jeglichen Schrecken verloren. Nach 4 Wochen bekamen wir den Befund, die Schiene nur noch nachts tragen zu müssen und schon das war wie eine Erlösung für uns. Trotzdem traute ich mich kaum, sie tagsüber wirklich abzunehmen. Als wir allerdings nach nur weiteren 2 Wochen dann die Erlaubnis bekamen, nun komplett auf die Schiene verzichten zu dürfen, war das für mich wie der Himmel auf Erden. Unsere Konsequenz hatte sich ausgezahlt und Little G. und ich genossen die wiedergewonnene (Bewegungs-)Freiheit in vollen Zügen. Zu sehen, dass sich mein Baby ohne Einschränkungen und Schmerzen frei bewegen kann, macht mich bis heute noch jeden Tag glücklich, denn ich weiß, das ist nicht selbstverständlich!

Ein paar von euch werden überrascht sein, diesen Artikel von uns zu lesen, denn wir haben die Hüftdysplasie bis auf ein einziges Mal bei Instagram nicht thematisiert. Damals habe ich zu meinem Foto geschrieben, dass nicht immer alles Gold ist, was glänzt. Dass das Leben nicht immer perfekt ist und auch immer wieder Überraschungen (positiv wie negativ) für uns bereit hält. Ich habe mich damals dazu entschlossen, die Hüftdysplasie unserer Tochter nicht online zu besprechen oder Fotos von Little G mit der Schiene zu zeigen. Nicht, weil es mir unangenehm gewesen wäre, sondern einfach, weil es ja eigentlich gar nicht so etwas besonderes oder schwerwiegendes war. Ich wollte, dass die Behandlung für uns in den Alltag übergeht und nicht immer wieder darauf angesprochen werden. Aber dank dieses einen Beitrags haben sich Mütter von Babies mit der gleichen Diagnose bei mir gemeldet, mit denen ich mich auch außerhalb der sozialen Netze dazu austauschten konnte. Zu wissen, dass man nicht alleine dasteht hat mir sehr dabei geholfen, mich schneller an die neue Situation zu gewöhnen und vor allem auch, damit umzugehen.

Das ist sie nun also… Die ständige Angst, dass Deinem Kind etwas fehlen könnte oder noch schlimmer, dass es Schmerzen hat oder gar unglücklich ist. Ich bin noch nicht sehr lange Mutter, aber eines habe ich schon ganz klar verinnerlicht: sich Sorgen zu machen ist ganz offensichtlich ein fester Bestandteil des Elternjobs. Mir ist schon klar, dass ich meine Tochter nicht vor allem Übel und Schrecken dieser Welt bewahren kann und dass sie auch ihre eigenen Erfahrungen machen muss, um erwachsen zu werden. Aber seit Little G bei uns ist hat der Satz “Gesundheit ist das Allerwichtigste” noch einmal eine ganz neue Bedeutung für meinen Mann und mich gewonnen und wir können auch unserer Tochter nichts mehr als genau das wünschen!

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3 Comments

  • Hallo Janine,

    ich bin ganz zufällig auf diesen Blog gestoßen und es war wirklich ein interessanter Beitrag!
    Bei mir wurde bei Geburt (1996) eine beidseitige Hüftdysplasie festgestellt und wurde daraufhin nur drei Wochen breit gewickelt. Das, so weiß ich heute, war für die Katz und ich werde mein ganzes Leben lang Beschwerden haben und schon früh einen Gelenkersatz bekommen müssen..
    Also seid froh, dass ich das alles eurem kleinen Wurm ersparen könnt und die Spreitzhose nicht abgelehnt habt 🙂

    Liebe Grüße

  • Hallo,

    Ich bin auf deinen Beitrag gestoßen, da auch meine Tochter eine Tübinger Hüftschiene tragen muss. Wir sind nun seit 10 Wochen dabei und freuen uns natürlich wahnsinnig darauf, wenn wir sie in 4 Wochen endlich weglassen können. Aber tatsächlich ist es wie du eigentlich schreibst. Man gewöhnt sich daran, zumindest meiner Tochter ist die Schiene schlicht egal und tatsächlich hat sie sich trotz Einschränkung sogar mit knapp 4 Monaten gedreht, als die Schiene mal 5 Minuten nach dem Wickeln ab war. Ansonsten sind wir wirklich konsequent und der Orthopäde scheint fast überrascht zu sein wie schnell die Hüfte ausheilt, obwohl es bei uns etwas schlimmer war am Anfang.

    Aber im letzten Punkt deines Artikels muss ich dir aus meiner Sicht etwas widersprechen. Auch meine Schwangerschaft war leider eine Risikoschwangerschaft und wir wussten bis nach der Geburt nicht, ob unser Kind gesund sein wird. Den Satz, den ich während all dieser Zeit am meisten verabscheut habe ist von ahnungslosen Dritten: “Hauptsache gesund”. Natürlich habe ich immer gehofft “hoffentlich gesund” und wir hatten großes Glück und sie ist tatsächlich gesund (das mit der Hüfte wird ja voraussichtlich restlos verschwinden). Aber an all die Liebhaber dieser Floskel; was wenn nicht ganz gesund oder gar behindert. Natürlich ist es der größte Wunsch für ein Kind und auch das eigene Leben. Aber wenn nicht, dann ist es immer noch mein Kind.

    Also bitte bitte, sagt hoffentlich gesund und nicht Hauptsache!!! Dein “das Allerwichtigste” hat mich nach unserem Monate andauernden Ängsten sofort wieder kalt erwischt.

    Ich wünsche euch und allen Lesern alles Gute für und mit ihren Kindern. Es ist einfach alles ein Wunder und das mit der Schiene wird bei uns vergessen sein sobald sie weg ist. Ich befürchte allerdings meine große Tochter möchte sie dann für die Puppe zum Spielen behalten, weil sie für sie nun dazu gehört 🙂

  • Hallo Janine,

    ich habe gerade einen Blog gestartet und auch die Hüftdysplasie meiner Tochter thematisiert, allerdings in einer mehrteiligen Blogserie. Die Krankheit ist bei uns leider eine Neverending Story über aktuell 4 1/2 Jahre. Nach der Tübinger Schiene kamen der Gips über mehrere Monate und einige Operationen, die erste als sie ca 3 Monate alt war und zuletzt eine im August 2017.

    Beim google check, ob meine Seite überhaupt auftaucht, bin ich auf deinen Beitrag gestoßen. Ich kann Deine Reaktion auf die Schiene und den ersten Schock absolut nachempfinden, für mich ist damals auch eine Welt zusammen gebrochen, man kann und will sein eigenes Kind einfach nicht so sehen. Aber wie Du schreibst, den Kindern ist es egal, und die Eltern gewöhnen sich auch an den “Störenfried”. Dein Kind bleibt Dein Kind, egal, was noch außenrum dran hängt. Im Nachhinein lacht man über seine anfänglichen Tränen und geht gestärkt aus der Situation raus.

    Ich schicke Dir knall-bunte Grüße von Mama zu Mama…
    Jessica

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