Immer wieder werde ich gefragt, was ich eigentlich beruflich mache und daher habe ich beschlossen, diesem Thema einfach mal einen Beitrag zu widmen – insbesondere, da sich daran seit der Geburt von Little G. ziemlich viel verändert hat, also ehrlich gesagt alles und ich damit gar nicht gerechnet hatte. Arbeiten bedeutete für mich immer, meine Neugierde nach Neuem zu befriedigen, Verantwortung zu übernehmen, interessante Gespräche zu führen und mit dem, was ich so gerne tue, auch noch Geld zu verdienen. Anders, als es heute für viele der Fall ist, war es mir auch vollkommen egal, wo sich dieser Job geographisch befindet, hauptsache ich konnte endlich loslegen. Kurzum, ich habe immer viel gearbeitet und das dazu auch noch richtig gerne.
LIPSTICK
In meinem früheren Leben bin ich in der Regel um 6 Uhr morgens aufgestanden und habe mich frisch geduscht und frisiert, mit Lippenstift auf den Lippen, High Heels an den Füßen und meiner schicken Aktentasche in der Hand auf den Weg gemacht, um entweder die nächsten 15 Stunden in meinem Büro zu verbringen oder in den ersten Flieger zu steigen, um meinen Kunden zu erklären, was es mit der digitalen Transformation auf sich hat, warum man die nicht vernachlässigen darf und was sie dafür tun müssen, um den Anschluss nicht zu verpassen – obwohl es dafür in den meisten Fällen eh schon fast zu spät war. Da “digitalisieren” für die meisten klassischen Unternehmen fälschlicherweise bedeutet, einen Online Shop aufzumachen, konzentrierte sich mein Hauptaufgabenbereich darauf, gemeinsam mit dem Kunden erfolgreiche Vertriebsstrategien zu definieren, diese in kürzester Zeit unter enormen Kostendruck umzusetzen und reibungslos in den operativen Betrieb zu übergeben. Mein betriebswirtschaftlicher Hintergrund mit einem starken Hang zu IT, Systemen & Prozessen war genau das, was der Markt brauchte. Online Shopping gehört für mich also quasi zu meinem Berufsbild, allerdings ist genau das auch sehr anstrengend, weil ich dabei gleichzeitig immer das Optimierungspotential sehe, das nicht ausgeschöpft wird. Aber darum soll es heute ja gar nicht gehen.
Tatsache ist, ich hatte nicht viel Freizeit bzw. bei mir gab es keinen Unterschied zwischen Arbeit und Freizeit. Meine besten Freunde und auch meinen Mann habe ich über den Job kennengelernt und all das hat mich enorm erfüllt. Ich habe für ein internationales Unternehmen gearbeitet, zu 99% meines Arbeitslebens nur Englisch gesprochen und manchmal auch gleich mehrere Wochen im Ausland verbracht, weil es das Projekt eben gerade forderte. Heute Amsterdam, morgen Paris, dann schnell nach London und noch spontan für eine Woche nach New York. Manchmal ging es aber auch einfach nach Detmold oder Herzogenaurach und diese kurzen Anreisen waren oft beschwerlicher als die Distanz mit dem Flieger. Für den ein oder anderen mag das jetzt enorm spannend klingen und das war es für mich zu Beginn auch. Aber je mehr Verantwortung man übernimmt, desto mehr Zeit verbringt man auch an seinem Schreibtisch. Die spannenden Projekte vor Ort haben meine Mitarbeiter übernommen und ich erschien nur noch auf der Matte, wenn es unangenehm wurde, weil ein Projekt vielleicht nicht so lief wie vorgestellt. Wenn ich in der Stadt war, dann für maximal 2 Tage und in der Zeit habe ich die Büroräume von Tommy Hilfiger, Lacoste oder Tory Burch kaum von außen gesehen. Natürlich gab es auch Highlights, die das alles ausgeglichen haben, wie die großen Shows zur Fashionweek oder ein privates Dinner mit Donatella Versace, aber im großen und ganzen steckte man eben einfach in der Mühle drin. Die Abende habe ich entweder bei Geschäftsessen verbracht oder zu Hause am Schreibtisch und nicht auf dem Sofa. Die Wochenenden gingen häufig für Reisezeit drauf und abschalten konnte ich sowieso nur selten. Ich war dauerangespannt, merkte es aber gar nicht. Rückwirkend kann ich sagen, dass zwar der Erfolg noch Spaß gemacht hat, aber nicht die Aufgabe.
DIE WENDE
Und so kam es, dass mein Mann (damals noch Freund) und ich eines Abends im Restaurant saßen und darüber philosophierten wie wir unser Leben weiter gemeinsam verbringen wollen und ob das unter diesen Umständen überhaupt funktionieren kann. Wir lebten eh schon in zwei unterschiedlichen Städten (er in Berlin, ich in Hamburg), waren beide unglaublich viel unterwegs, haben uns kaum gesehen und wenn wir zusammen waren, war jeder angespannt und hat an seine Arbeit gedacht. Es war klar, dass einer von uns etwas verändern muss und damit war auch klar, dass ich das sein müsste, denn auf seinen Job konnten und wollten wir beide nicht verzichten. Wer jetzt glaubt, dass ich direkt am nächsten Morgen glücksstrahlend ins Büro gelaufen wäre, um zu kündigen, der irrt. Das hat noch ca. 12 Monate, viele Überlegungen meinerseits, einige negative Ereignisse später und vor allen Dingen ein zufälliges Jobangebot aus Berlin lang gedauert. Übrigens, über Kinder hatten wir an diesem besagten Abend noch gar nicht gesprochen…
2013, kurz nach unserer Hochzeit, startete ich also mit meinem neuen Job in Berlin. Eine spannende Aufgabe, die aber viel weniger Stress und kaum noch Reisetätigkeit forderte – und die fehlte mir auch gar nicht. Trotzdem, meine Arbeit erfülle ich immer mit vollem Einsatz und so dauerte es nicht lange bis ich auch dort wieder Aufgabe um Aufgabe übernahm und viel mehr Zeit als ursprünglich geplant am Schreibtisch verbrachte. Ich fand das aber OK, denn mein Mann hatte gerade seinen Vertrag für Österreich unterzeichnet und ich somit auch Zeit dafür – bis ich plötzlich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Die Freude war sehr groß! Wir wollten gerne Kinder haben und so war das die logische Konsequenz. Ich fand außerdem, dass ich jetzt auch den perfekten Job hatte, in dem ich das Mamasein und meinen Full-Time Job wunderbar miteinander vereinbaren könnte. Meine Schwangerschaft verlief super, mir ging es sehr gut und ich arbeitete so lange ich durfte. Angemeldet hatte ich 1 Jahr Elternzeit, aber schon nach den ersten 2 Tagen im Mutterschutz fiel mir die Decke zu Hause auf den Kopf. Dabei hatte ich so viele Ideen, was ich alles machen wollte – einen Nähkurs, einen Strickkurs, ich wollte viel kochen, einen Fotokurs belegen und das Haus für das Baby vorbereiten… Aber all das kam mir zu diesem Zeitpunkt so irrelevant vor. Also tat ich nichts davon, sondern arbeitete stattdessen einfach von zu Hause aus weiter, plante meine Homeoffice Zeit nach der Geburt von Greta im Detail durch und harrte der Dinge, die auf mich zukommen sollten. Im Nachhinein denke ich natürlich oft, dass ich den Mutterschutz viel mehr hätte geniessen sollen, aber damals konnte ich einfach noch nicht so abschalten wie heute.
BABYDUFT
Kaum war die Kleine da, veränderte sich alles. Während ich meinen Mutterschutz vorbei sehnte, genoss ich nun die Zeit mit meinem Baby (mit allen Höhen und Tiefen) und hätte niemals erwartet, dass ich mich so fallen lassen kann. Die Monate vergingen, ich bekam kaum noch Anrufe aus dem Büro und es interessierte mich auch gar nicht mehr sonderlich, was dort passierte. Ich stellte außerdem fest, dass arbeiten mit Baby gar nicht so einfach ist wie ich mir das vorgestellt hatte, denn wer auch immer mir gesagt hatte, dass Babys am Anfang ja eh nur schlafen, der hatte nicht meines. Mein Kind brauchte von Anfang an erschreckend wenig Schlaf. Meine Prioritäten verschoben sich und ich konnte mir immer weniger vorstellen, wieder in die Mühle der Angestelltenroutine einzutauchen. In meinem Kopf fing es an, zu rumoren. Mir war klar, dass ich irgendetwas brauche, das nicht nur mit Baby- bzw. Kinderbetreuung zu tun hat, denn daraus ziehe ich einen Großteil meiner Energie. Mein altes Leben wieder aufzunehmen, kam aber auch nicht in Frage, denn wir wollten unsere Tochter nicht fremderziehen lassen. Niemand würde sich so um unser Baby kümmern wie ich es tue und auch mein Mann, der ja nur am Wochenende da ist, könnte nicht mal eben spontan einspringen, wenn ich länger im Büro sitze oder noch ein Geschäftsessen oder gar eine Reise ansteht. Und wie sollte ich das alles dann auch noch mit der Pendelei nach Wien unter einen Hut bringen? Als Angestellte ist man nur mal nicht flexibel. Und während ich so vor mich hingrübelte und nach der perfekten Lösung suchte – von Halbtagsbeschäftigung, über x Stunden/Woche über Homeoffice und was weiß ich nicht alles, wurde mir bewusst, dass das ganz einfach nicht funktioniert. Als Angestellte konnte ich auf diesem Level nur wieder ganz oder gar nicht einsteigen.
Und dann bekam ich vor einigen Monaten plötzlich aus heiterem Himmel die Nachricht von meinem Arbeitgeber, dass sich die internen Prioritäten verändert haben und meine Abteilung aufgelöst wird. Im ersten Moment war ich natürlich geschockt, denn diese Abteilung habe ich mit sehr viel Arbeit und Herz aufgebaut, aber nach ein paar Tagen hatte ich eher das Gefühl, dass sich ein Problem gelöst hat. Kind oder Karriere! Etwas, das sich in meiner Idealvorstellung vor der Geburt unserer Tochter noch ganz klar miteinander vereinbaren liesse, lässt sich in der harten Realität im Angestelltenverhältnis leider nicht miteinander vereinbaren. Zumindest dann nicht, wenn ich mein Kind nicht fremderziehen lassen will und bei dem Anspruch, den ich habe – sowohl an mich wie auch an meinen Beruf! Dieser Monat ist der letzte Monat meines offiziellen Angestelltenverhältnisses und ab Juni bin ich “frei”, etwas Neues zu machen. Nicht, dass ich die letzten Monate nicht gearbeitet hätte – ganz im Gegenteil, eigentlich habe ich nie aufgehört, denn das kann ich gar nicht. Ich berate Freunde mit kleineren Online Shops und welche, die gerne einen aufbauen möchten. Alte Kunden rufen immer noch an und bitten um Hilfe und ich arbeite auch noch in unserer eigenen Firma mit. Ganz davon abgesehen, dass ich mit Lori auch noch diesen Blog auf die Beine gestellt habe, plane ich gerade unser neues Haus und bin im großen und ganzen so gut beschäftigt, dass ich eigentlich schon wieder mehr Stunden bräuchte, als 1 Tag zu bieten hat. Was ich aber letztendlich daraus machen möchte, weiß ich im Moment noch nicht. Es landen immer mal wieder sehr spannende Angebote auf meinem Tisch, die aber zum Glück nie in Berlin (oder in Wien) sind, so dass ich vielleicht doch mal in Versuchung geraten könnte. Die Berliner familienfreundlichen Unternehmen, können sich aber gerne bei mir melden und ich rede jetzt an dieser Stelle mal nicht über die Effizienz arbeitender Mütter 🙂
Mal sehen, was die nahe Zukunft so bringt….
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nichts aus meinem alten (Berufs)Leben vermisse. Aber wenn ich darüber nachdenke, dann sind das meistens nicht die Dinge, die direkt mit dem Job zu tun hatten, sondern eher mit dem Lebensabschnitt – dem ohne Kinder. Ich vermisse oft die Flexibilität, die Spontaneität und die Freiheiten, die wir hatten bevor unsere Tochter bei uns war. Aber ihr glaubt doch nicht wirklich, dass ich da auch nur 1 Millisekunde dran denke, wenn ich meiner Tochter ins Gesicht schaue oder sie sich abends unter meine Bettdecke schleicht….. Babyduft konnte ich nicht vermissen, denn den kannte ich nicht. Aber Lippenstift – auf den kann ich verzichten. Mein Mamaherz gewinnt immer und wer hätte das gedacht!
In diesem Sinne! Alles Liebe
eure Janine
Dieser Beitrag ist so wundervoll Janune! So ehrlich geschrieben! Ich mag deinen Schreibstil unglaublich!
Liebe Grüße
Karokina
Ganz ganz toll geschrieben ❤️