Ein Jahr ist es nun her, dass mein kleiner Fred in die Krippe kam. Ich erinnere mich noch zu gut daran, wie ich mich damals freute, als man uns den Platz anboten hatte. Endlich mal wieder in Ruhe duschen, schminken & stylen. Wieder etwas mehr Zeit für mich haben. Die Wohnung auf Vordermann bringen. Für ein paar Stunden auf den Mama-Job verzichten und Kaffee-schlürfend an einem Schreibtisch in einem überaus hippen Office sitzen. Freunde, ich will euch nichts vormachen, eventuell malte ich es mir damals etwas zu rosig aus, aber dazu später mehr.
Eine kleine Ära neigte sich also dem Ende. Und gleichwohl spürte ich, wie da ein sehr mulmiges Gefühl aufkam. Würde es mir der Kleine nicht übel nehmen, wenn ich ihn abgäbe? Würde er mich nicht schrecklich vermissen? Ist er nicht eigentlich noch zu klein? Fragen und Zweifel kamen auf. Hatten wir doch schließlich die letzte 18 Monate tagein tagaus gemeinsam verbracht…
Die Eingewöhnung dauerte fünf Wochen.
Für uns alle eine sehr emotionale Zeit. Ich ließ es langsam angehen und nahm sehr viel Rücksicht auf meinen Sohn. Ha! Und die Erzieher glücklicherweise auf mich. Freds Haupt-Erzieherin hatte ich sofort ins Herz geschlossen. Wenn mein Mascara beim Verlassen der Einrichtung mal wieder etwas zu sehr verlaufen war, rief sie mich mittags kurz an, nur um mir mitzuteilen, dass es dem Kleinen gut ginge und was er bislang schönes gemacht habe.
Einige Wochen nach erfolgreicher abgeschlossener Eingewöhnung verabschiedeten wir uns mit den Omis für neun Wochen nach Thailand. Der ein oder andere fragte mich damals, warum wir die Eingewöhnung nicht später angegangen sein. Nun ja, ihr Lieben, wisst ihr, wenn man heutzutage einen Krippenplatz bekommt, gibt man ihn auch nicht mehr her – leider gibt es diese ja bekanntlich nicht wie Sand am Meer. Apropos Sand am Meer: Hach, Thailand war wunderbar, vor allem nach den letzten Wochen voller Strapazen und dem ersten „Abnablungsprozess“. Es tat uns beiden gut und hat uns irgendwie noch enger aneinander geschweißt. Ein Vertrauen bestärkt, um dessen Empfindlichkeit ich mir während der Eingewöhnung viele Gedanken gemacht hatte.
Kurz vor Freds zweitem Geburtstag waren wir wieder zurück in Deutschland. Nach einer Woche Jetlag und „Mama! Kaaaaalt!“ näherten wir uns langsam wieder der Krippe. Ehrlich gesagt hatte ich Schiss! Ich wusste, dass ich bald wieder arbeiten müsste und mir dieses Mal nicht so viel Zeit mit der Eingewöhnung lassen könnte. Die ersten Tage blieb er lediglich ein paar Stunden da, nach der ersten Woche sogar wieder über Mittag. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Eventuell war es auch ein Brocken.
Und nun? Endlich wieder in Ruhe duschen, schminken & stylen?
Pustekuchen. Das mit dem Duschen habe ich zwar noch geschafft, aber mal unter uns: Auf den Rest habe ich zumindest anfangs weitestgehend verzichtet. Fred war morgens oftmals sehr anhänglich. Also galt eher kuscheln statt stylen. Alles braucht seine Zeit. Vieles musste sich erst einspielen, so auch manch eine familieninterne Absprache , die aufgrund aktueller Gegebenheiten, Arbeitssituation oder sonstiger Bedürfnisse regelmäßig angepasst, bzw. über Bord geworfen wurde.
Immerhin fühlte sich Fred in seiner Krippe zunehmend wohl. Er und seine Haupt-Erzieherin bauten ein enges Verhältnis auf. Wenn er sie morgens sieht, läuft er mittlerweile auf sie zu und will erst einmal auf ihren Arm. Kuscheln. Das macht mich sehr glücklich. Aber – und ja, das klingt vielleicht doof – es ist gleichzeitig ein verdammt komisches Gefühl, wenn sich dein Sohn aus deiner liebevollen Umarmung befreit um sich bei einer anderen Person Zuneigung zu suchen. Und dann noch bei einer Frau, die weder deine Schwester, noch deine Freundin ist. Ein Mensch, mit dem Du selbst gar nicht mal so dicke bist. Und dem Du trotzdem tagtäglich dein Kind anvertraust. Daran musste ich mich emotional erst gewöhnen. Für meinen Mann war das komischerweise weniger schlimm.
Dennoch gibt es auch ganz andere Tage…
Solche, an denen das Kind schon morgens weint, weil es bei dir bleiben will. Wenn es bis zur Krippentür auf deinem Arm bleiben möchte und nur mit Tränen auf den Arm der Erzieher wechselt. Diese Tage brechen mir das Herz. Am liebsten würde ich den Jungen wieder an mich reißen und einfach kehrt machen. Bis wohl irgendwann vom Arbeitgeber die erste Abmahnung käme. Ich drehe mich also stattdessen um, gehe und versuche nicht mehr zurückzublicken. Tja. Mit dem ersten Office-Kaffee bemühe ich mich, meine Zerrissenheit runterzuspülen und mir eine schöne Nachmittagsaktivität für den Kleinen zu überlegen.
Aber machen wir uns nichts vor, umso weniger das Kind morgens in die Krippe möchte, umso weniger will es nachmittags abgeholt werden. Murphy’s Law. Dann wird geweint, gehauen und so lange vor dir weggerannt, dass ich mich kaum mehr traue, den Erziehern unter die Augen zu treten. Am liebsten würde ich dem Team ein dezentes „Also, ähhh, eigentlich ist es bei uns daheim ganz schön!! Und wir spielen viel! Und Fred geht es gut!!“ zurufen, entscheide mich jedoch meistens für ein gedrücktes Lächeln, ein verschämtes Schulterzucken und verschwinde mit einem schimpfend, schnaufendem Kind auf dem Arm. Einatmen. Ausatmen. Immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass es ja irgendwie ein gutes Zeichen sei. Er mag seine Krippe. Und das ist doch irgendwie die Hauptsache.
Nun ja.
Wenn da nicht diese fiesen kleine Bisswunden wären, die Fred hin und wieder hatte… Das brachte mich anfangs zur Weißglut. Am liebsten hätte ich mir das Täter-Kind geschnappt. Oder die Eltern des Kindes. Die Erzieher wussten Bescheid und gingen das Thema sehr sensibel an. Wir sprachen oft dazu. Ich hatte große Sorge, dass es Auswirkungen auf Fred haben könnte, er möglicherweise nicht mehr in die Krippe wollen könnte. Dem war Gottseidank nicht so. Gerne hätte ich Fred davor bewahrt, ihn mit all meiner Macht beschützt, konnte es aber nur bedingt beeinflussen. Schwieriger Lernprozess für mich als Mutter.
Seitdem Fred in die Krippe geht, hat er wahnsinnig viel gebastelt, gesungen, gemalt, gebaut. Gelacht, und gelernt. Dank der wunderbaren Erzieher ist er mit Aktivitäten in Berührung gekommen, auf dich ich selbst kaum gekommen wäre. Inzwischen nähern wir uns langsam aber stetig dem Ende der Krippenzeit. Offiziell darf er ab dem dritten Lebensjahr in den Kindergarten wechseln, der sich idealerweise im selben Gebäude, einen Flur weiter befindet. Hin und wieder darf er die Kindergartenkinder bereits jetzt schon drüben besuchen. Zuhause erzählt er stolz davon.
Ach ja, und so langsam zeichnet sich auch die Sache mit den Freundschaften ab. Zu niedlich. Bei einem Kind strahlt er jeden Morgen bis über beide Ohren. Gelegentlich nehmen sie sich auch in den Arm. Und – wer hätte es gedacht – es ist der kleiner Beißer von damals…