Die Ruhe nach dem Sturm!
Grade erst ist Xaver über Berlin hinweg gerauscht. Ganz unberechenbar und unaufhaltsam hat er ganz schön viel Schaden und Chaos in der Stadt und im angrenzenden Umland hinterlassen. Und wieder einmal mehr ist mir bewusst geworden, dass auch in meinem Kopf derzeit ganz schön viel Chaos herrscht und ich hier ziemlich viel alleine wuppen muss, um allem gerecht zu werden. Kind, Mann, Job, Haushalt, neues Haus, Blog, Schwangerschaft. Frausein, Freundin, Tochter, Mama, Schwester…. Der Sturm hat auch meine Pläne für den heutigen Tag gekreuzt. Dafür sitze ich jetzt aber hier, gemütlich eingekuschelt mit meinem Chai Tee bei Kerzenschein an meinem Schreibtisch. Und nicht zu vergessen, meinem Babybauch, der für dieses sehr persönliche Baby Update verantwortlich ist, das ich nun hoffentlich auch mal zum Ende bringen werde.
Alleinerziehend mit Mann! Eine Tatsache, die ich immer mit einem gewissen Schmunzeln auf meinen Lippen kommuniziere und die meinem Gegenüber in der Regel ein verständnisvolles Lächeln ins Gesicht zaubert, hat mich die letzten Wochen ziemlich an meine Grenzen gebracht und ich möchte euch gerne daran teilhaben lassen, warum – und es auch einfach mal loswerden. Für alle, die meine Geschichte noch nicht so lange verfolgen, hole ich ein bisschen aus. Alle anderen können die folgende Passage ja einfach überspringen.
Im Januar 2015 hat mein Mann den Vertrag für seinen neuen Job in Österreich unterschrieben. Für mich war das total OK, denn auch ich war beruflich sehr eingespannt, viel unterwegs und viel mehr gemeinsame Zeit als an den Wochenenden hatten wir sonst ja auch nicht. Uns war also klar, dass dies an unserem aktuellen Status gar nicht viel verändern würde und daher habe ich ihn in seiner Entscheidung auch zu 100% unterstützt, ohne wenn und aber. Was wir zum Zeitpunkt dieser Entscheidung allerdings noch nicht wussten war, dass wir bereits 4 Tage später einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen halten würden. Nicht, dass ihr jetzt denkt, dass diese Tatsache uns damals hätte an dieser Entscheidung zweifeln lassen – nicht 1 Sekunde. Ganz im Gegenteil, wir fanden es sogar ziemlich cool, zukünftig dann viel Zeit gemeinsam in Wien verbringen zu können, denn meine Elternzeit würde dies ja ganz plötzlich und unerwartet ermöglichen. Zum Glück hatte ich eine komplikationslose Schwangerschaft und meine einzige Sorge in dieser ganzen Zeit war, dass unser Baby doch hoffentlich an einem Wochenende zur Welt kommen würde, damit mein Mann auch da ist und ich nicht mit einem Taxi ins Krankenhaus fahren muss. Und genau so kam es auch. Vor ziemlich genau 2 Jahren, am 04.10.2015 in der Nacht von Samstag auf Sonntag kam unsere kleine Tochter zur Welt und wir waren plötzlich glücklich zu Dritt. Mein Mann musste bereits am darauf folgenden Dienstag wieder seinen Verpflichtungen nachgehen, aber ich hatte ja meine Hebamme zur Unterstützung und mein Baby, das mich auf einer Glückswolke schweben ließ. Mein Mann konnte ja eh nicht viel machen. Ich stillte voll und hielt die Kleine den ganzen Tag in meinen Armen – am Tag wie auch in der Nacht. Volle 9 Monate habe ich meine Tochter gestillt und pendelte in dieser Zeit mit einem ziemlich unkomplizierten Kind zwischen den beiden schönen Städten Berlin und Wien hin und her und ich genoss es. Wir hatten unseren eigenen Rhythmus gefunden und der funktionierte ganz wunderbar, so dass ich es auch überhaupt nicht schlimm fand, unter der Woche mit der Kleinen alleine zu sein.
Das erste Mal begann ich, am Lebensmodell “Wochenendehe” zu zweifeln, als die Kleine anfing zu laufen und plötzlich mobiler und agiler wurde. Die volle Aufmerksamkeit und einen hohen Grad an Unterhaltung vereinnahmte sie natürlich auch schon vorher, aber plötzlich konnte man sie gar nicht mehr aus den Augen lassen und umgekehrt, sie liess auch mich keine Sekunde mehr aus den Augen. Wo ich war, war auch sie und alleine zur Toilette zu gehen wurde plötzlich zu einem Ding der Unmöglichkeit. Mir ist schon klar, dass das jetzt keine große Überraschung ist und natürlich geht es uns allen so, aber nicht allen geht es 24 Stunden am Tag so.
In einem klassischen Familienmodell nach meiner Vorstellung kommt im besten Fall irgendwann der arbeitende Partner nach Hause, der den erziehenden Elternteil ablösen kann. Das heißt der Partner, der sich hauptsächlich um die Kinder kümmert, kann dann auch mal alleine zur Toilette gehen, vielleicht ein heisses Bad nehmen oder sogar mal in Ruhe etwas essen, ein paar Minuten die Füße hochlegen oder sich auch ganz einfach mal alleine mit Freunden treffen und Erwachsenengespräche führen – das Kind ist ja bestens versorgt. Wenn man dann noch Familie zur Unterstützung in der Nähe hat und sich dadurch auch noch Paarzeit freischaufeln kann, dann entspricht das in meiner Vorstellung quasi einem Idealszenario von Familienleben.
Eine Single Mum oder ein Single Dad wird automatisch damit konfrontiert, dass keiner da ist, der sich im Alltag auch noch mit um das Kind kümmert und kann sich damit dann hoffentlich auch – mehr oder weniger gut – darauf einstellen. Das heißt nicht, dass das auch nur im Ansatz ein ideales Szenario wäre, aber man weiß eben einfach, dass da keiner ist und arrangiert sich damit irgendwie. Im besten Fall gibt es aber einen Vater (oder eine Mutter), mit dem man sich das Sorgerecht teilt und das bedeutet plötzlich freie Wochenenden, Urlaube oder zumindest mal feste Tage und Zeiten, die man für sich alleine verplanen kann. Um durchzuatmen, um Zeit für sich oder auch für Freunde zu haben. Umso mehr bewundere ich von Herzen alle alleinerziehenden Elternteile, die das Leben mit Kind komplett ohne Partner mit all seinen Höhen und Tiefen, Krankheiten und Verrücktheiten und sogar noch mit Job nebenher wuppen. Das zeigt einfach mal wieder, wozu man in der Lage ist, wenn es keine andere Möglichkeit gibt.
Und dann kommt die Alleinerziehend mit Mann Mama. Das ist die Konstellation, in der die Frau ein Höchstmass an Flexibilität und Geduld aufbringen muss. In diesem Fall – also in meinem und auch nur für mich gesprochen, läuft das in etwa so ab:
- Mann ist unter der Woche nicht da, ruft aber 3x am Tag an und fragt, was ich gerade so mache. In der Regel ist das dann gerade Windeln wechseln, Essensreste aufwischen, Wäsche waschen oder schreiendes / nörgelndes Kind beruhigen…. Bauklötze stapeln ist auch eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Noch Fragen?
- Ich rufe Mann an, der hat aber keine Zeit, weil er wichtige Termine hat oder gerade im Flieger nach New York sitzt.
- Mann meldet sich bevorzugt, wenn Kind in der Kita ist und ich mal Zeit für mich habe, in der ich normalerweise am Schreibtisch sitze, um meine Arbeit zu erledigen. In der Regel meldet er sich bei mir, weil ich doch bitte dieses oder jenes für ihn raussuchen oder erledigen soll, weil er es ja sonst nicht schafft.
- Mann meldet sich spät am Abend noch einmal, um mir von seinem hervorragenden 5-Gänge Dinner mit der idealen Weinbegleitung in dem unglaublich angesagten Restaurant vorzuschwärmen (wo auch immer in der Welt), aber auch um zu fragen, wie mein Abend war. In der Regel gab es Nudeln mit Butter, Brot mit Wurst oder für mich gar nichts – schon gar keinen Wein, da schwanger. Das Kind, das gerade nach 2 Stunden Einschlafbegleitung fast eingeschlafen wäre, ist jetzt wieder wach und dazu auch noch aufgedreht, weil es Papa’s fröhliche Stimme gehört hat.
- Ich fiebere schon ab Donnerstagabend dem Freitagabend entgegen, denn dann kommt endlich der Papa nach Hause. Es sei denn, er hat doch noch einen wichtigen Termin dazwischen geschoben, der Flieger hat Verspätung / fällt aus oder aber das Wochenende ist komplett gecanceled, weil er dringend nach Houston muss.
- Mann ist am Wochenende zu Hause und dann Experte in Kindererziehung.
- Mann ist zu Hause und überrascht mich in regelmäßigen Abständen mit Beautyterminen – Maniküre, Pediküre und Friseur – für ihn selbst. Denn unter der Woche kommt er ja nicht dazu.
- Mann braucht am Wochenende auch mal Zeit für sich – für Sport und Sauna, denn dafür hat er ja unter der Woche keine Zeit.
- Mann geht mit der Kleinen spazieren. Aber natürlich auch mit mir, denn wir wollen ja schliesslich auch mal etwas gemeinsam unternehmen – also auch gemeinsam Wäsche waschen, gemeinsam einkaufen, gemeinsam meine Schwiegereltern besuchen, gemeinsam kochen, gemeinsam eben….
Mein Mann findet die Wochenenden zu Hause immer wunderschön. Ich finde sie auch wunderschön, weil wir uns mal wieder haben und ich nicht alleine bin, aber ich finde sie auch genauso anstrengend wie jeden anderen Tag, wenn nicht noch anstrengender, denn jetzt muss ich es ja auch noch meinem Mann recht machen. Inzwischen habe ich mich aber an die Wochenenden gewöhnt und mich dafür unter der Woche sehr gut organisiert. Die Kleine geht jeden Tag 5 Stunden in die Kita und 2x pro Woche habe ich ja auch noch meinen tollen Babysitter. Luxus pur könnte man also meinen, wenn ich nicht gerade schwanger wäre und ich nicht wüsste, dass es in Kürze mit dem organisierten Leben und der freigeschaufelten Me-Time erst mal wieder vorbei ist. Ab Dezember wird bei uns nämlich wieder die Babyzeit eingeläutet und darauf freue ich mich schon, sehr sogar. Endlich zieht wieder so ein kleiner Wurm bei uns ein und es ist ein absolutes Wunschkind. Aber gleichzeitig kommen auch langsam die Sorgen und Ängste durch, denn wo werde ich dann noch bleiben? Werde ich dann überhaupt noch Zeit für mich haben? Ist es egoistisch, überhaupt daran zu denken?
Ausschlaggebend für diesen Beitrag und meinen erneuten Zweifel an unserem Lebensmodell “Alleinerziehend mit Mann” war Greta’s Magen-Darm-Virus vor 2 Wochen. Ich war komplett alleine mit Kind, das das erste mal so richtig krank war. Aufgrund der Schwangerschaft und des quasi 100%-igen Schlafentzugs am Tag, aber auch in der Nacht hatte ich enorme Kreislaufprobleme. 2 Wochen lang habe ich mich da irgendwie so durchgeschleppt und mich entweder um die Kleine gekümmert oder Wäsche gewaschen. Die verschiedensten Lieferdienste waren nicht nur mein Retter, sondern auch meine besten Freunde, denn ich konnte das Haus ja nicht verlassen. Mein Mann war genau zu dieser Zeit beruflich unterwegs und auch an den Wochenenden nicht zu Hause. Und was hätte ich darum gegeben, an seiner Stelle zu sein. Diejenige zu sein, die nicht zu Hause ist, sondern unterwegs. Weit weg von den Viren, der Müdigkeit und der Abhängigkeit.
Bis zum nächsten Wochenende, an dem mein Mann dann das erste mal wieder nach Hause kam, waren wir alle wieder mehr oder weniger fit und trotzdem hatte ich darauf gehofft, mich dann endlich mal etwas erholen zu können. Einfach mal nicht zu denken, nicht zu handeln und Zeit für mich zu haben. Durchzuatmen! Aber mein Mann hat sich nach den Wochen der Abwesenheit riesig auf uns und Zeit mit uns gemeinsam gefreut und wie erklärt man jemandem, der immer selbstbestimmt handeln kann, der seine Wünsche nicht immer zurückstellen muss und den man doch wirklich liebt und gerade 2 Wochen nicht gesehen hat, dass man das Wochenende am liebsten ganz alleine verbringen würde? Ich weiß es nicht. Also gab es sie nicht, diese Zeit des Durchatmens. Und aus seiner Sicht kann ich das sogar verstehen und es liebenswert finden, denn er ist unter der Woche immer alleine und vermisst uns. Er weiß aber auch nicht wie es ist, sein komplettes Leben zu verändern und Tag und Nacht für einen kleinen und abhängigen Menschen da zu sein und er weiß auch nicht wie es ist, nie alleine zu sein. Auch dann nicht, wenn man es vielleicht mal brauchen würde.
Auf der anderen Seite…. Wie viel darf man eigentlich von einem Menschen erwarten, der wie mein Mann die ganze Woche unter enormen Druck steht, auf dessen Schultern eine riesen Verantwortung lastet und der nur unterwegs ist, damit es uns, seiner Familie gut geht. Ist es nicht sogar egoistisch, zu erwarten, dass er dann am Wochenende auch noch genauso performed wie ich es gerne hätte? Braucht er nicht auch mal eine Pause? Aber das ist nochmal ein ganz anderes Thema.
Mir ist klar, dass ich es auch “Alleinerziehend mit Mann” + 2 Kinder schaffen werde. Aber eines ist klar, es wird eine Herausforderung für uns alle werden. Und bis dahin hoffe ich, dass auch Baby Nummer 2 sich wieder dazu entschliesst, an einem Wochenende zu uns zu stoßen, damit ich nicht mit dem Taxi ins Krankenhaus fahren muss.
Alles Liebe
Eure Janine
Oh wow. Was für ein intimer ehrlicher Artikel. Ich kann deine Gedanken zu 100 Prozent verstehen. Mir geht es sehr ähnlich. Mein Mann ist zwar nur Dienstags bis Donnerstags weg und nur manchmal bis Samstag, trotzdem fühle ich mich sehr ähnlich wie du. Wir haben zwei kleine Kinder ( fast 4 und gerade 2 geworden) und da kann ich dich beruhigen. Es klappt meistens recht gut mit den beiden wenn ich allein bin. Es muss natürlich ein neuer Rhythmus gefunden werden aber es pendelt sich ein. Ab Dezember ist auch unser kleinster in der Betreuung und ich fange im Februar wieder richtig an zu arbeiten. Das bereitet mir jetzt schon alles große Bauchschmerzen. Es macht die eigene Situation zwar nicht besser wenn man weiß, dass es anderen ähnlich geht aber man fühlt sich nicht mehr so allein. Alles Gute wünsche ich dir.
Wow, was für ein schöner und berührender Artikel! Ich muss ehrlich sagen, dass ich dieses Modell nicht leben könnte – da lastet einfach zu viel auf deinen Schultern. Vermutlich würde ich meinen Mann bitten, eine neue berufliche Regelung zu finden.
Für mich war immer klar, dass wir unser Kind gemeinsam erziehen. In den ersten zwei Jahren hat mein Mann drei Tage und ich zwei Tage gearbeitet. Klar, dass das nicht immer geht. Seit Josefine drei ist, hatte ich sie 5 Tage zu Hause und mein Mann hat voll gearbeitet. Jetzt ist sie vier, geht in den Kindergarten und ich arbeite wieder halbtags. An Baby Nr. 2 wird gearbeitet. 😉 Soviel zu unserer Situation.
Ich hoffe, dass ihr für euch eine Lösung findet – und dass die vielleicht nicht so aussieht wie aktuell? Ganz viele gute Wünsche für euch und viel Kraft für die Geburt.
:))))