Lieben nach Gefühl

Nachdem ich bereits während meiner Schwangerschaft von zahlreichen selbsternannten Experten (Besserwisser, Mütter und Väter, deren eigene Kinder zum Teil schon vor Jahren ihr Studium beendet haben) mit Ratschlägen zur Kindererziehung überhäuft wurde, war mir ja eigentlich schon klar, dass es noch schlimmer werden würde, wenn das Baby erstmal da ist.

Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass ich davon so vieles an mich heranlassen und an mir zweifeln würde. Teilweise hatte ich schon das Gefühl, wirklich jeder kennt die geheimsten Geheimnisse der Kindererziehung – nur ich nicht.

Wie, Dein Baby schläft noch nicht durch? Nachts bloss nicht stillen, sonst gewöhnt sie sich da noch daran und wird niemals durchschlafen. Babys haben nachts keinen Hunger. Sie schläft mit euch im Bett? Dann wird sie ja nie alleine schlafen. Kein Wunder, dass Dein Baby so verwöhnt ist, wenn Du es bei jedem Pieps hochnimmst. Lass sie bloß mal schreien, das muss sie auch lernen und ausserdem trainiert das die Stimmbänder. Sie hat Dich ja jetzt schon voll im Griff. Du musst nur lange genug warten, dann hat die Kleine auch Hunger und nimmt die Flasche. Du fütterst sie schon wieder? Sind denn schon 4 Stunden um? Sie hat die Faust im Mund, da kommen jetzt die Zähne. Gib ihr Banane, dann schläft sie auch. Mein persönliches Highlight allerdings war, als jemand zu meinem 1 Woche alten Baby sagte, dass es die Mama aber ganz schön manipuliere, um endlich auf den Arm genommen zu werden.

Oh mein Gott, hatte ich da etwa ein kleines Wunderkind produziert?

Nein, habe ich nicht. Mein Baby ist ein ganz normales Baby mit ganz normalen Bedürfnissen! Natürlich ist es das schönste, liebste, klügste und witzigste Baby der Welt (sorry ihr anderen Mamis), aber seine Grundbedürfnisse unterscheiden sich ganz einfach nicht von denen der anderen Babys dieser Welt. Übrigens auch nicht seine manipulativen Fähigkeiten. Und das weiß ich jetzt ganz genau, denn je mehr Ratschläge ich von außen bekommen habe, desto mehr habe ich mich mit der eigentlichen Fragestellung beschäftigt – sozusagen nach Lösungen gesucht. Dafür, dass mein Baby (fast 7 Monate) weder von ganz alleine einschläft, noch alleine in seinem Zimmer schläft und von durchschlafen kann auch keine Rede sein. Es  hat übrigens auch noch keine Zähne, obwohl es den Prophezeiungen nach eigentlich schon ein komplettes Gebiss haben müsste und das, seit es 4 Wochen alt war. Um also die Antworten auf meine Fragen zu finden habe ich Bücher gelesen. Ich habe im Internet recherchiert und mich mit zahlreichen zeitgenössischen Mamas ausgetauscht.

Und ich habe meine Antwort gefunden!

Mein Baby ist glücklich und zufrieden! Es hat seine Grundbedürfnisse so wie alle anderen Babys auch – das eine davon ist im Vergleich zu anderen Babys vielleicht etwas mehr oder weniger stark ausgeprägt. Die Babys mit einem stärkeren Schlaf- oder geringerem Nähebedürfnis gehören erwiesenermaßen tendenziell eher der Seltenheit an. Aber ja, auch die gibt es – Glück gehabt Mamis. Genauso wie es eben Babys gibt, die Flasche und Schnuller akzeptieren und andere nicht. Aber was mir auf meiner Suche nun endlich klar geworden ist und vorher gar nicht so bewusst war, ist die Tatsache, dass ich eigentlich die ganze Zeit nach Lösungen für MEINE Probleme gesucht habe – ICH will meine Abende wieder für mich haben und gemütlich einen Film in kompletter Länge sehen ohne dabei “gestört” zu werden. ICH will endlich mal wieder durchschlafen und morgens fit und ausgeruht in den Tag starten. ICH will so gerne mal wieder mit meinem Mann alleine in einem Zimmer schlafen – ohne ständig mit dem Ohr auf die Atmung unseres Kindes zu lauschen. Und außerdem möchte ICH unbedingt mal wieder stillunfreundliche Klamotten tragen, die es auf die Startseite der InStyle schaffen würden und nicht sofort “Sorry, aber ich bin ‘ne Mutti” rufen.

Meinem Baby aber ist das alles herzlich egal! Es ist glücklich, so wie es ist. Es wächst und gedeiht und es liebt mich. Es hat also gar keine Probleme.

Gerade heute war meine Hebamme da. Ich wollte wirklich sichergehen, dass ich nicht doch irgendetwas “verpasst” habe oder falsch mache. Aber sie hat den Nagel meiner Meinung nach ziemlich auf den Kopf getroffen. Ein Baby zeigt uns ohne Wenn und Aber und nach bestem Wissen und Gewissen seine Bedürfnisse und es ist schön, wenn man diesen Bedürfnissen nachgehen kann. Aber leider passt das eben nicht immer – sei es finanziell, zeitlich oder einfach, weil mehrere Kinder im Haus sind, die versorgt werden wollen. Jede Mutter muss für sich den richtigen Weg finden und solange Mama, Papa und Baby mit diesem Weg glücklich sind, ist alles gut. Sind sie es nicht, dann muss man bewusst etwas ändern. Das kann ein harter Weg sein, der viel Feinfühligkeit und Durchhaltevermögen verlangt, aber auch das ist dann oftmals das Beste für alle.

Und was habe ich jetzt für mich daraus gezogen? Wir haben uns unser Kind gewünscht – von ganzem Herzen und ohne Rückgabeschein. Wenn es Nähe braucht, dann werde ich ihm die Nähe geben. Wenn es hinfällt, dann werde ich ihm aufhelfen und es küssen. Wenn es Hunger hat, dann gebe ich ihm zu essen und wenn es nicht einschlafen kann, dann werde ich an seinem Bettchen sitzen und seine Hand halten – ob bei Tag oder bei Nacht. Weil ICH es so will und weil ICH es so für richtig halte.

Ich liebe nach Gefühl!

Und das ihr Lieben, kann ich auch euch nur empfehlen. Es gibt kein richtig oder falsch – jede Mami weiß am besten, was für sie, ihr Kind und ihre Familie richtig ist. Jedes Kind, jede Lebenssituation und jede Beziehung ist anders. Da sollte niemals jemand von außen reinreden.

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