Wie kannst du nur?

Immer wieder lese ich auf den zahlreichen Blogs und Instablogs über die Dauer der Elternzeit und die Rückkehr in den Berufsalltag... wie lange sollte das Kind zu Hause BEI DER MUTTER bleiben?

Wann darf (*augenroll*) die Mutter wieder arbeiten? Und überhaupt 17161 Themen rund um Dauer der Elternzeit, Berufsleben und Fremdbetreuung…

Und wenn ich ehrlich bin, habe ich bei den meisten Beiträgen gleich Lust den Leuten mein Telefon ins Gesicht zu klatschen. Tut mir Leid. Der Ton macht die Musik…und das gilt auch im Internet.

Nicht jede Frau, die seit einigen Wochen oder Monaten in den Schuhen einer Mutter steckt, hatte es geplant zu diesem Zeitpunkt in die große Rolle des Lebens zu schlüpfen. Aber wir Frauen sind stark. Wir nehmen die neue Herausforderung im Leben an und machen das Beste daraus. Der geplante oder auch nicht geplante Lebensweg wird einfach aktualisiert und es wird ein neuer Weg nach besten Wissen und Gewissen entwickelt. Es steht leider nicht jeder Mutter die Option der freien Entscheidung zur Wahl.

Ich möchte gar nicht auf die ganzen Faktoren eingehen, da sie im Netz oft genug durchgekaut werden, aber ich kann da nur von mir sprechen, da ich auch eine Entscheidung treffen musste.

Ich arbeite nun nach nur elf Monaten wieder. Als wäre das nicht schon genug Veränderung in unserem Alltag, lasse ich meine Tochter in der Woche bei meinem Mann. Ich muss mich sonntags am Abend verabschieden und komme erst Freitags zurück. So sieht sie aus, meine und Valentinas Zukunft für die kommenden 6 Monate. Eine lange Zeit. Beinahe halb so lang wie ihr kurzes Leben. Während ich weg bin, werden mein Mann und mein Baby ganz normal weiterleben. Sie werden gemeinsam aufstehen, frühstücken, zur Kita und zur Arbeit gehen. Sie werden gemeinsam spielen, lernen und zu Bett gehen. Und das alles ohne mich. Mein Mann wird vorübergehend alleinerziehend mit Frau sein. Verrückt oder doch ganz normal?
“Wie kannst du ihr das nur antun?” Das darf ich mir von allen Seiten anhören. Anstatt mir Kraft und Mut zu machen, dass ich den etwas anderen Weg gewählt habe, um in Zukunft meiner Tochter mehr bieten zu können und bei ihr zu sein, treffe ich nur auf Unverständnis. Es passt einfach nicht in das Bild der Mutter. Ich tanze aus der Reihe und werde verurteilt.

Aber es ist für uns die beste Entscheidung. Unsere Tochter ist genauso gut bei meinen Mann aufgehoben, wie sie es bei mir wäre. (An dieser Stelle einen Gruß an den Instadad Boris!)
Ich bin jetzt schon aufgeregt, nervös und gespannt, wie wir das alles rocken werden. Werde ich diese Trennung emotional überhaupt schaffen?

Heute, Montag der 15.08.2015, ist Tag 6 von über 175 Tagen, die vergehen müssen bis wir wieder Mutter, Vater, Kind sein dürfen. Bis wir wieder morgens das Haus verlassen und am Abend gemeinsam zu Hause sind. Ein Zeit von 7 Wochen, auf die ich mich schon freue. Die Theorie findet dann leider wieder weiter weg statt. Zum Glück nicht ganz so lange, aber trotzdem auch wieder eine Zeit ohne meine beiden Lieblingsmenschen. Ich halte mich jetzt aber an den Praxisphasen fest. Mein Lichtblick und die Gewissheit, dass das alles irgendwann vorbei ist. Das wir durch diese Entscheidung einen Grundstein für unsere Zukunft legen.
Wir stehen grade noch ganz am Anfang. Die Trennungen sind schwer, mussten wir unseren Alltag und Rhythmus über Bord werfen. Alles ist neu und muss sich jetzt erstmal finden. Ich denke es braucht alles seine Zeit und man gewöhnt sich doch fast an alles. Man gewöhnt sich mit starkem Liebeskummer halbwegs gut über den Tag zu kommen. Liebeskummer, weil ich mein geliebtes Baby und meinen Mann so sehr vermisse. Ein wahnsinnige Umstellung für uns drei und alles andere als einfach… Aber wir wären nicht wir, wenn wir es nicht meistern könnten.
Das erste Wochenende war schwer. Im Auto auf dem Heimweg habe ich mir schon ausgemalt wie meine Tochter reagieren könnte. Keine meiner Vorstellungen von großen Krokodilstränen oder Freundeskreischen war der Fall. Die Babyfrau war tief und fest am schlafen und nur zu gern hätte ich sie geweckt. Aber nein! Gegönnt sei ihr der erholsame Schlaf und besser ein ausgeschlafenes Baby zu Begrüßung! So hatten mein Mann und ich wenigstens ein paar Minuten gemütlich auf der Couch für uns. Mittlerweile ist das auch zur Ausnahme geworden. Es fehlt mir sehr…
Als sie dann aufwachte, war sie noch ziemlich zerknautscht und kuschelig. Es war, als ob ich niemals weg gewesen wäre. Sie hatte es nicht wirklich realisiert, dass ich wieder da war bzw überhaupt weg war. Eins war jedoch anders, sie wollte nur kuscheln und ganz nah bei mir sein. Auch als ich ein bisschen mit ihr im Kinderzimmer spielen wollte und auf dem Boden kniend saß, kam sie zu mir und schmiegte sich an mich und blieb einfach angekuschelt an mir stehen.
Wenn ich das hier so schreibe, spüre ich sie noch an mir und habe ihre Geruch in meiner Nase. Ich denke an mein kleines Wesen und mir kommen Tränen. Großes muten wir ihr zu, aber trotzdem weiß ich, dass diese Entscheidung nur das Beste für uns in Zukunft sein wird.
Das restliche Wochenende verlief sehr ruhig, familiär und eigentlich wie gewohnt. Nur die Trennung am Sonntag war dann neu und dieses mal viel mir die Trennung noch schwerer als an dem Dienstag davor. Ich weiß, dass wir in sechs Monaten darüber lachen werden wie schnell die Zeit vergeht, aber heute kann ich sagen, der Kloß in meinem Hals ist groß. Verdammt groß. Kann ich es doch kaum erwarten dass endlich Wochenende ist.
Wir danken dir für deinen ehrlichen Einblick. Wenn ihr noch mehr von dieser außergewöhnlichen Frau lesen wollt klickt einfach hier. Vielleicht hinterlasst ihr für sie noch ein paar liebe Worte, sie wird sich sicherlich freuen. 
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4 Comments

  • Hi,ich finde es toll das du es machst.Wenn man nicht Arbeit geht,heißt es du lässt nur deinen armen Mann arbeiten und bist faul.Gehst du arbeiten,ist es auch falsch. Egal wie man es macht.Man muss seinen Weg gehen.Ich finde es mutig von dir.Mach so weiter.Bin gespannt wie es bei uns wird.Mache mit 36 Jahren eine zweite Ausbildung zur Kinderkrankenschwester mit fünf Kindern.

    Lg Barbara

  • Ich glaube Dir auf’s Wort, dass es für Dich wahnsinnig schwer ist! Wer kann Dich dafür verurteilen? In vielen Familien ist der Alltag genau so, nur dass eben der Papa in der Woche weg ist. Mein Herzmann war gerade zum Beispiel drei Wochen am Stück weg und fragt jemand, wie er das nur tun konnte? Natürlich nicht. Ich sende Dir ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen! Dass Papa es zu Hause gut meistern wird, daran hab ich keine Zweifel, warum auch! Die Papas sind nicht weniger gut für die Mäuse als wir Mamas! Herzliche Grüße Pippa

  • Vielen lieben Dank für deine ehrlichen Worte. Ich bin so froh, dass wir in einer Zeit leben, in der jede Frau und auch jeder Mann zumindest in der Theroie darüber entscheidend kann, in welcher Konstellation die Betreuung in den ersten beiden Jahren laufen soll. Ich finde es so schade, dass einem dabei so viel mies gemacht wird und man als schlechte Mutter dargestellt wird. Es muss doch jeder für sich selber entscheiden, was für seine Familie am besten ist. Und was mich ganz oft aufregt ist, dass die Väter in der Debatte einfach ausgeklammert werden und von vielen als eine Art kostenloser Babysitter für Ausnahmefälle betrachtet wird.

  • Ich habe mir schon vor der Geburt meines Sohnes(ja, ich traf schon vorher die eine oder andere ungewöhnliche, eben “Mutter-untypische” Entscheidung)angewöhn,t Ausrufe wie eben dieses “Waaaaas? Wie kannst Du nur???!!!? zu sagen “Ich kann es halt. Punkt. Und ob Dudu`S verstehst, akzeptierst oder nicht, für uns, mich funktioniert das so/ist das richtig so”

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